Volkskultur als Dialog: Körper – Verhältnisse
22. – 25. August 2012, Weyregg am Attersee
Dass Singen, Musizieren und Tanzen mit dem Körper zu tun haben, leuchtet unmittelbar ein. Angebote wie „Volksliedersingen für die Seele“ oder „Wandern und Jodeln“ sollen die Seele befreien, das Gemüt reinigen, entfesseln. Immer mehr zielen auch volkskulturelle Angebote darauf ab, zum geistigen und körperlichen Wohlbefinden beizutragen.
Gegenwärtig gilt der Körper als der Ort, an dem wir vor allem bei uns selbst sind. Wir achten auf ihn und anders als in der Vergangenheit reden wir ausdrücklich von Körperkultur. Immer mehr wird auch auf die Einheit von Körper und Geist beschworen. Nur ein bewusster Umgang mit dem eigenen Körper trage zu einem Gleichgewicht bei, heißt es. Die Haut gilt als Spiegel der Seele. Was „unter die Haut“ geht, berührt wirklich. Mit ihr werden Menschen – pars pro toto – als dünnhäutig, als eine gute, eine ehrliche, oder eine faule, oder eine böse Haut charakterisiert.
Menschen verstehen heute den Körper als Projektionsfläche, nutzen ihn als Oberfläche, als Plattform ihrer Identität. Die Tracht beschrieb den Körper, bezeichnete ihn. Tracht zu tragen konnte eine Art von Selbstdisziplinierung bedeuten. Heute werden Dirndl und Lederhose immer mehr zum Ausdruck eines freizeitlichen Lebensgefühls. Andere Umgangsweisen mit dem Körper, das Anlegen von Schmuck, Piercen, Tätowieren, Schminken oder auch Bärte haben ihre Konjunkturen. Regionale Architektur, Interieurs (Holz!) und Kulinarik verweisen auf Bezüge zum Körper, – nicht nur wenn Bauernhöfe zu Wellnessoasen umgebaut werden. Das Münchner Oktoberfest hat in den letzten Jahren in Österreich allerorten gekalbt und Akzente gesetzt, die alte Zuordnungen aufheben: Volkskultur und Popularkultur beeinflussen sich, sind – wie längst in der Musik – nicht mehr als wirklich trennscharf zu verstehen.
Welche Teile der Volkskultur, wie Essen, Trinken, Kleiden, Wohnen, Singen, Spielen, Tanzen etc. nutzen wir als Ressource für unseren Körper in der Gegenwart? „Volkskultur als Dialog“ meint uns selbst und unseren Umgang, meint unser (auch verändertes) Wahrnehmen der Volkskultur. Wie fügen wir sie in die sich rasch verändernden Lebenswelten und stetig neuen Körper-Verhältnisse ein? Diese und weitere Fragen sollen in Vorträgen, Workshops und Diskussionen bei der Sommerakademie erörtert werden.
Das Programm
Mittwoch, 22. August
Der Umgang mit dem Körper
16 – 18 Uhr
-) Körper-Verhältnisse und Volkskultur. Konrad Köstlin, Vizepräsident und wissenschaftlicher Leiter im Österreichischen Volksliedwerk
-) „Fressen, Saufen“ und die „traurigen Verirrungen der Geschlechtslust“
Erzherzog Johanns Gewährsleute beschreiben die Volkskultur der Steiermark. Eva Kreissl, Kuratorin für Alltagskultur, Universalmuseum Joanneum
Im Anschluss Grillabend im Seehotel
Donnerstag, 23. August
Volkskultur – Körperkultur
9 – 12 Uhr
-) Knochen, Geld und Seelenheil: über die wa(h)re Bedeutung von heiligen und profanen Reliquien, Nicola Malina-Urbanz, Kulturwissenschaftlerin
-) Auf zum weiten Horizont. Erfahrungen eines Pilgers auf Wegen in Österreich und im Heiligen Land. Wolfgang Sotill, Autor, Reiseleiter und Landwirt
-) angefragt: Der Jungbauernkalender. Stefan Kast, Bundesobmann Österreichischer Jungbauernschaft
Hülle, Kleid und Identität
15 – 16 Uhr
Emilie Flöges Interesse an Tracht und Reformkleid. Angela Völker, Textilhistorikerin
16.30 Uhr
Exkursion zur Firma Tostmann nach Seewalchen, Führung durch den Trachtenmodenbetrieb mit Gexi Tostmann
19.30 Uhr
Filmpräsentation „Stoff der Heimat“ durch „Kino auf Rädern“ im Anschluss Diskussion gemeinsam mit: Ulrike Kammerhofer-Aggermann, Leiterin Salzburger Landesinstitut für Volkskunde, Martina Pühringer, Obfrau OÖ Goldhauben-, Kopftuch- und Hutgruppen und Gexi Tostmann, Landesmusikschule Seewalchen
Freitag, 24. August
Der Körper in der Volksmusik
9 – 12 Uhr
-) Fischgespräch und Zahlenduette. Konzepte aus der Neuen Musik als Anregung
zum eigenverantwortlichen Umgang mit Klang und Raum. Workshop mit Cordula Bösze, Flötistin, Improvisatorin und Musikpädagogin (Instrumente können mitgebracht werden)
-) Wie verhalten sich Rhythmus und Periodenstruktur der Musik zur körperlichen (Tanz)bewegung. Vergleiche zwischen Ost- und Mitteleuropa. Workshop mit Raimund Sobotka, Institut für Sportwissenschaften, Universität Wien
15- 17 Uhr
-) Mit allen Sinnen hören. Musikverstehen als Dialog mit dem Körper. Eva Maria Stöckler, Leiterin Zentrum für Zeitgenössische Musik Donau-Universität Krems
-) Irlas pink a hei?“ – Geheimsprache der Musikanten, ein Bericht aus der Feldforschung. Bernhard Gamsjäger, Regionalforscher Volkskultur Niederösterreich Betriebs GmbH.
20-22 Uhr
Volksmusikalische Fahrt auf dem „Klimt-Schiff“ der Attersee-Schifffahrt mit den Irrsee Bläsern und musizierenden Teilnehmern der Sommerakademie, Abfahrt Anlegestelle Weyregg
Samstag 25. August
9 – 13 Uhr
Der Körper im Volkstanz
-) Volkstanz zwischen den Zeiten“ Buch und DVD- Präsentation. Waltraud Froihofer und Helmut Jeglitsch, Bundesarbeitsgemeinschaft Österreichischer Volkstanz
-) „Volkstanz für „Leib und Seele“ Diskussion mit Elfriede Handler Alpenverein Edelweiß, Angelo Hauptmann Obmann Sportunion Volkstanzgruppe Pöttsching, Gernot Gföllner Turnverein Gmunden 1861 und Volksmusikant, Raimund Sobotka Institut für Sportwissenschaften Universität Wien, Diskussionsleitung Justin Stagl Fachbereich Politikwissenschaft & Soziologie Universität Salzburg
Resümee und Ausblicke zur Sommerakademie, Abschlussdiskussion
Alle Programmpunkte sind öffentlich zugänglich, bieten im Anschluss Zeit für Diskussion und sofern nicht anders vermerkt finden sie im Seehotel Weyregg statt.