Konrad Mautner (1880 – 1924)

Volkstumsforscher und Großindustrieller

Raspelwerk

Konrad Mautner entstammte einer Großindustriellenfamilie mit Wohnsitz in Wien. Sein Vater Isidor Mautner war Gründer des größten Textilunternehmens der Habsburgermonarchie. Die Sommermonate verbrachte die Familie in Gössl, in der Gemeinde Grundlsee. Somit bewegte sich Konrad Mautner seit seiner Kindheit zwischen zwei Welten –  ein Zwiespalt, den er auch in einem Bild auf dem Titelblatt des Steyerischen Rasplwerks aufgreift, welches zeigt, wie ein Großindustrieller mit Frack  und Zylinder einem Gössler in steirischer Tracht die Hand reicht. Beide Männer sind Darstellungen seiner selbst. Dem Bild sind zwei Sprüche beigefügt: „Und bist du mei Komrod, bin i a da deine.“, sowie: „Den liabn Bruadan Hrod [Konrad] zu eynem bleybenden Andenkhen an die lustigi Zeyt im Goessl gewidmet von eahm sölm, Wien, im Lanzing 1906″.

Auch wenn Mautner von den Gösslern nie als ein Bauer wahrgenommen wurde, sondern als Städter höheren Ranges, so spürte er doch immer die Bodenständigkeit, die Echtheit unter ihnen und fühlte sich zum Ursprünglichen sein Leben lang hingezogen, was auch aus diversen Korrespondenzen, die während Geschäftsreisen entstanden sind, hervorgeht.

Mautner mit Sohn
Konrad Mautner mit seinem Sohn Hias

Seine Faszination für das volkstümliche Leben motivierte ihn dazu, Gössler Lieder zu sammeln, die er von Gösslern gehört und mit einem Phonographen aufgezeichnet hatte. Mithilfe seines Cellolehrers Alexander Fimpel und dem Volksliedforscher Raimund Zoder wurden die Lieder transkribiert. Konrad Mautner illustrierte die verschriftlichten Lieder selbst. So entstand das Steyerische Rasplwerk, eine kunstvoll gestaltete Liedersammlung, wie sie in dieser Form einmalig ist. Es gibt 400 originale Exemplare, die 1910 vom bibliophilen Verlag Stähelin und Lauenstein herausgegeben wurden. Neben der volkstümlichen Musik interessierte sich Mautner auch für das traditionelle Brauchtum im Allgemeinen und ganz besonders für die Ausseer Tracht. So entstand in Zusammenarbeit mit Viktor Geramb das zweibändige Trachtenbuch, das dieser erst nach Mautners Tod fertigstellen und veröffentlichen lassen konnte.

Provenienz des Teilnachlasses Konrad Mautner (NS-Zeit und die Zeit nach 1945)

Das vom Österreichischen Volksliedwerk am 25. Juni 2018 erworbene Konvolut aus dem Nachlass des österreichischen Volkstumsforschers Konrad Mautner wurde in der Zeit des Nationalsozialismus vom Volkskundemuseum Wien (ÖMV) unrechtmäßig erworben, wie der Kunstrückgabebeirat in seiner Sitzung vom 5. Oktober 2016 einstimmig feststellte. Nachdem Konrad Mautner am 15. Mai 1924 in Wien verstorben war, verwaltete seine Witwe Anna Mautner rechtmäßig den Nachlass.

Mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich war die Familie Mautner aufgrund ihrer jüdischen Herkunft den systematischen Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes ausgesetzt. Anna Mautner und ihre Familie verloren während der NS-Zeit ihre Existenz in Österreich und teilweise auch ihr Leben. Konrads älterer Bruder Stephan (1877–1944) wurde 1944 zusammen mit seiner Frau Else Eissler (1877–1944) von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Anna Mautner überlebte die NS-Zeit, ihr gelang 1939 die Flucht über Ungarn in die USA. 1946 kehrte sie nach Österreich zurück und kämpfte um die Rückgabe ihres Besitzes.

Am 5. August 1938 wurde durch Bescheid der Wiener Magistratsabteilung die volkskundliche Sammlung von Anna Mautner sichergestellt und gelangte unmittelbar in das Volkskundemuseum. Das vom ÖMV 1938 erworbene Konvolut umfasste 205 Objekte. Weitere 121 Objekte erwarb das Volkskundemuseum im Jahr 1939. Manche der in diesen Jahren erworbenen Gegenstände wurden erst später nachinventarisiert. Im Zuge von Nachforschungen im Archiv des Volkskundemuseums konnten im Jänner 2016 weitere Konvolute aus dem Nachlass Konrad Mautners identifiziert werden. Insgesamt besaß das ÖMV 364 Objekte, die dem Nachlass Konrad/Anna Mautner zugeordnet werden konnten. Darunter befand sich auch das „Konvolut Handschriften, Liedersammlung Konrad Mautner“ (ÖMV/87.591), welches vom Österreichischen Volksliedwerk angekauft wurde.

In seinem Beschluss vom 5. Oktober 2016 empfahl der Kunstrückgabebeirat die Rückgabe der Sammlung an die Rechtsnachfolger von Todes wegen nach Anna Mautner. Die volkskundlichen Sammlungen Konrad/Anna Mautner wurden gemäß dieser Empfehlung den Rechtsnachfolgern überstellt. Stellvertretend für die Mautner-Erben überließ Stephen M. Mautner dem Archiv des Österreichischen Volksliedwerks am 25. Juni 2018 das Konvolut ÖMV/87.591, welches nun für ForscherInnen recherchierbar und zugänglich gemacht wurde:

Notenbeispiel:

Die Holzknechtbuam. Zum Katalog.

Literatur:

Hafer, Wolfgang. Die anderen Mautners: das Schicksal einer jüdischen Unternehmerfamilie, Berlin 2015. Zum Katalog. 
Haid, Gerlinde. Das Steyerische Rasplwerk. In: Der Vierzeiler. Zeitschrift für Kultur und Volksleben, (18. Jahrgang Nr. 1) 1998, S. 5-11. Zum Katalog. 
Haid, Gerlinde. „… Mit Grazie und nicht ohne Humor“. Konrad Mautner als Volksliedforscher und Volkskundler. In: Schönfellinger, Nora (Hsg.) „Conrad Mautner, grosses Talent.“ Ein Wiener Volkskundler aus dem Ausseer Land. (Grundlseer Schriften Band 3) (© Kulturelle Arbeitsgemeinschaft Grundlsee) 1999, S.67-90. Zum Katalog. 
Preßl, Hannes. Zwischen Fotzhobel und Wiener Salon. Konrad Mautner als Volksmusikforscher. In: Schönfellinger, Nora (Hsg.) „Conrad Mautner, grosses Talent.“ Ein Wiener Volkskundler aus dem Ausseer Land. (Grundlseer Schriften Band 3) (© Kulturelle Arbeitsgemeinschaft Grundlsee) 1999, S. 91-111. Zum Katalog. 
Spring, Claudia. Anna Mautner: Mehr als nur Witwe Konrad Mautners. In: Eva Blimlinger /Heinz Schödl (Hg.). …(k)ein Ende in Sicht: 20 Jahre Kunstrückgabegesetz in Österreich, Böhlau Verlag Wien Köln Weimar. (Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 8) 2018, S. 369-391. Zum Katalog. 
Tostmann, Gexi. Konrad Mautner. In: Die Mölkerstiege (74) 1999, S.7-12.
Beschluss des Kunstrückgabebeirats vom 5. Oktober 2016

Bildnachweis (folgt)

Projekt im Rahmen des ULG Library and Information Studies an der ÖNB 2019
Nino Gude und Valentina Wölken